Kirchenarchive

Kirchenarchive? Welch einen langweiligen Klang dieses Wort doch hat. Man stellt sich sofort dunkle Gemäuer, verstaubte Papyrusrollen und einen alten, weißhaarigen mit Vollbart bewaffneten Mönch vor, welcher einen auf Latein die Bibel rezidiert. Aber alles Blödsinn. Doch zuerst mal die Basisinfos:

Zuerst einmal gilt es herauszufinden, welcher Konfession der Gesuchte (ab hier nennen wir Ihn Probanten) angehörte – grob als evangelisch wie auch römisch-katholisch bezeichnet. Da sich mein primäres Suchgebiet auf Südkärnten beschränkte, konnte ich mich auf die hier in großer Mehrzahl „verwendete“ römisch-katholische Kirche beschränken.

Übersicht der Archive in Österreich (Liste nicht unbedingt vollständig)

Soweit so gut, die Kontaktdaten hab ich schon mal. Jetzt schnell angerufen, hab heute noch Zeit zum Reinschauen. Haha, wenn es da nicht die anderen hundert Genealogen sowie Heraldiker in Kärnten gebe, die auch alle ins Archiv wollen. Mit Entsetzen wurde mir ein Termin in 3 Monaten und gleich ein weiterer in 6 Monaten genannt. Beide natürlich gleich gebucht. Der nette Herr am Telefon hat auch gleich gefragt, ob es mein erster Besuch wäre, von mir so bestätigt, und mich gleich darauf hingewiesen, dass es vor allem alte Schriften zu lesen und verstehen gilt, wie auch die eingeschränkte Möglichkeit ein bisschen Lese- und Verständnishilfe von den anwesenden Mitarbeitern bei einem Erstbesuch zu erhalten gibt. Aber an dieser Stelle eine Entwarnung: dank dem Projekt Matricula gibt es alle österreichischen Kirchenbücher (Burgenland und Vorarlberg aussen vor) jetzt digital online. Ich will euch aber den traditionelen Weg nicht verschweigen, daher nun weiter im Text.

Somit war mein nächster Zug der, dass ich meine Kenntnisse der alten Schriften im Vorfeld auffrischen musste und auch gleich Erfahrungswerte mit dem Klagenfurter Archiv sammeln wollte. Gute Dienste und hilfreiche Informationen hab ich von den unter dem Punkt Hilfreiche Links genannten erhalten.

Bevor man in ein Kirchenarchiv geht, sollte man sich außerdem folgende Gedanken machen:

In welcher Pfarre suche ich? (Pfarrindex Diözese Klagenfurt)
Welcher Zeitraum soll durchsucht werden?
Wie lange reichen die Unterlagen der Pfarre zurück?
In welchen Matriken suche ich zuerst? Taufbuch, Sterbebuch, Heiratsbuch etc.
Oben genannte Punkte deshalb, da ich 1. nicht alle Bücher aller Pfarren gleichzeitig durchsuchen kann, 2. jede Pfarre je nach Größe unterschiedlich viele Bücher geführt hat, 3. ich ja meistens nur kurze Zeit pro Termin im Archiv verbringen kann (2-3 Stunden).

Bei mir war das dann so, dass ich bewaffnet mit einem A4-Block, Bleistift (Kugelschreiber im Archiv verboten), einer Kurrentschrift-Vorlage und meinen 3 gewünschten Matriken diesen aufregenden Besuch begonnen habe.

Tja, und hier kommen dann meine ersten groben Fehler zum Vorschein:

Vor lauter Ergeiz habe ich alle Daten die ich irgendwie, irgendwo in den Büchern zu dem Namen Jaritsch gefunden habe ohne System auf meinen Block gekritzelt, hab mir keine zusätzlichen Informationen wie Beruf, Stand, zugezogen von etc. notiert und keinerlei Notizen und Fotos zu Quellen (Matrike, Pfarre, Seite) gemacht. Ich sag’s mal so: Es waren aufregende, meiner ersten Meinung nach erfolgreiche Forschungsstunden im Archiv, die nach reichlicher Überlegung für die Katz waren. 😮

Der nächste Versuch sah anders aus:

Sämtliche Daten die ich bereits vor meinem ersten Archivbesuch hatte, habe ich klassisch in einem Baum dargestellt. Zu den Namen der Probanten habe ich jeweils wenn bekannt auch gleich die entsprechenden Geburtsdaten (mit * gekennzeichnet), Sterbedaten (mit + gekennzeichnet) sowie auch die Trauung (mit oo gekennzeichnet) eingetragen. Dazu auch jeweils die zugehörige Geburtspfarre (wenn bekannt) und auch die Adresse. Das ganze sah dann so wie rechts abgebildet aus.

Da je nach amtierenden Pfarrer unterschiedlich viele Angaben in den Matriken sind, habe ich jede zusätzliche Info separat vermerkt. Unter zusätzlich verstehe ich, wenn zB bei einem Probanten nicht nur der Vater + dessen Beruf, die Mutter (mit Glück Geburtsname) sowie Anschrift etwas mehr über die Personen steht. So wie zB bei den Eltern meines Urgroßvaters:

Originalbild (fotografieren ist im Klagenfurter Archiv erlaubt) sowie Reinschrift

Vater: Johann Jaritsch vlg. Jaric – Keuschler in St.Veit, ehelicher Sohn der katholischen Eltern Simon Jaritsch, Huabnbesitzer vlg. Jaric – Keusche, und der Helena geb. Wilkoutz, geboren in der hiesigen Pfarre am 28. August 1859, geheiratet in St.Veit am 10. November 1889, katholischer Religion.

Mutter: Helena geb. Wutej, dessen Eheweib, eheliche Tochter der katholischen Eltern Georg Wutej, vlg. Urankbauer in Veselach, und der Katharina geb. Saboden; geboren in der hiesigen Pfarre am 20. März 1863, katholischer Religion

Durch diesen, sehr ausführlichen und fast zu hundert Prozent leserlichen Eintrag habe ich folgende Informationen zusätzlich zum Namen der Eltern des Probanten erfahren:

Namen und Wohnort der jeweiligen Großeltern des Probanten,
Beruf der Eltern des Probanten;
Geburtsdatum und Geburtsort der Eltern des Probanten,
Religionszugehörigkeit der Großeltern des Probanten;
und sogar ein Trauungsdatum und Trauungsort der Eltern.
Weiters habe ich einen Hinweis auf zur Geburt des Vaters des Probanten bereits so genannte Jaric-Keusche erhalten, welche sich in St.Veit befindet. Die sollten somit schon länger dort ansässig sein.
Damit lässt sich schon wieder einiges anfangen. Jedoch dürfen solche Informationen nicht einfach so übernommen werden, denn die in diesem Matrikeneintrag vermerkten Daten sind meist mündlich überliefert und müssen gecheckt werden. Aber es ist schon mal ein sehr, sehr guter Start.

In Zusammenhang mit dem oben geposteten Matrikeneintrag noch ein paar relevante Informationen zu Kirchenbüchern:

Schriftbild /-art: hier war ein sorgfältiger Pfarrer am Werk, der ein wunderschönes Kurrent verwendete. In größeren Pfarren ist dies eher nicht der Fall.
Schriftsprache : untypisch für diese Region und auch diese Zeit hat der Pfarrer bereits alles in Deutsch abgefasst und er hat auch auf Abkürzungen verzichtet. In anderen Büchern der selben Zeit findet sich vor allem ein großer Anteil der Kirchensprache – Latein, dies meist in Kombination mit lateinischen Abkürzungen der am häufigst gebrauchten Wörter. Ist aber weiters kein allzu großes Problem, die Einträge enthalten immer ähnliche Informationen und somit findet Ihr in meinem Kirchenlexikon die entsprechenden Übersetzungen.
Nachname: Der Nachname der Eltern (und somit des Probanten) wird so geschrieben, wie er von diesen ausgesprochen und auch vom Pfarrer verstanden wird. Es gab damals noch keine einheitliche Schreibung, geschweige denn konnte jeder schreiben (oft auch an der Unterschrift der Eltern des Probanten erkennbar = XXX). Hinzu kam noch, dass selbst die Pfarrer nicht immer die größten in Sache Schreibung waren, und bei jedem Pfarrer der Name anders geschrieben wurde. Auch kam es sehr oft vor, dass der tatsächliche Nachname nicht in Verwendung war, wenn zB Maier von Geburt an bei der Jaric-Keusche lebte, wurde er umgangssprachlich „der Jaric“ genannt. Dies wurde dann auch aus Unwissenheit des richtigen Namens bei Geburten teilweise so übernommen, und so wird aus dem Maier-Sohn ein geborener Jaric. Ein gründlicher Pfarrer hat dies aber wie bei meinem obigen Beispiel korrekt mit vlg. (=vulgo) oder nat. (=natus, latein für natürlich geborener) vermerkt.
Vorname: Auch hier wirst du im Verlauf deiner Recherchen auf Unstimmigkeiten stoßen. Gerade in großen Familien war es gang und gäbe den Söhnen allen den Vornamen des Vaters zu geben, zB Johann (meist ein Name eines Heiligen). Sie erhielten aber bei Geburt einen zweiten Vornamen, zB Stanislaus welcher dann der so genannte Rufname wurde. Im Laufe seines Lebens hat jeder den ersten Vornamen vergessen und der oben genannte Johann Stanislaus … hat nie geheiratet, ist nie gestorben, an seiner Stelle hat ein Stanislaus … geheiratet und ist dann auch irgendwann gestorben.
Du siehst, die Kirche machte es einem selbst damals nicht einfach. Aber nicht verzagen, auch du wirst es schaffen.

Ein großes Problem kam aber nach meiner ersten ordentlichen Nachforschung auf mich zu: Wie sollte ich die ganzen Informationen halbwegs verständlich (auch für mich) darstellen und vermerken, ohne dass ich den Überblick verliere. Der Notizblock hatte sich bereits bei meinem ersten Besuch stark gefüllt, allein bei meinem obigen Beispiel wurden statt der erwarteten und erhofften zwei Personen gleich sechs Personen gefunden (wenn auch für den Anfang noch unüberprüft). Irgend ein System musste her. Hier kam mir dann das Internet zugute und ich fand ein tolles, einfaches Computerprogramm um Ahnenlisten und Ahnentafeln zu erstellen. Außerdem erlaubt das Klagenfurter Diözesanarchiv die Verwendung eines Laptops im Lesesaal (inkl. notwendigen, bereitgestellten Stromanschluss). Aber dazu mehr im nächsten Kapitel.